Champion-Einblicke: Naafiri
Wir haben es alle schon einmal erlebt: Du wurdest gerade in der Solo-Rangliste fertiggemacht und entschließt dich dazu, einen Spaziergang zu machen, um etwas frische Luft zu schnappen und deine Gedanken zu sammeln. Den Tag über war es heiß und die Luft in deinem Haus ist stickig.
Mit dem Sonnenuntergang weicht die Hitze des Tages der kühlen Nachtluft und die Straßenlaternen springen an. Niemand sonst ist unterwegs – ungewöhnlich für so eine angenehme Nacht.
Du bist ein paar Straßen weiter, als du in der Ferne eine Gestalt ausmachst. Sie lauert im Schatten einer riesigen Eiche, die das Licht der Straßenlaternen geradezu verschluckt. Als du näher herantrittst, erkennst du, dass die Gestalt zwei leuchtende Augen hat. Sie scheinen direkt auf dich gerichtet zu sein.
Mit jedem Schritt vorwärts bewegen sich die Augen näher zum Boden. Sie scheinen auf Höhe einer Wirbelsäule zu liegen und zu etwas mit vier Beinen zu gehören. Langsam erkennst du, dass die Augen über einer Schnauze sitzen.
Es ist ein Hund! Womöglich ist der Golden Retriever des Nachbarn ausgebüchst. Der Hund senkt seinen Kopf weiter, ein Zeichen von Unterwürfigkeit und Unsicherheit. Vielleicht hat er Angst.
Du trittst immer näher heran, als plötzlich vier oder fünf weitere Schattengestalten aus der Umgebung zu dem Hund vor dir springen und mit ihm eine Formation bilden.
Dir kommt ein letzter klarer Gedanke, bevor du in Panik verfällst: Der Hund hat seinen Kopf nicht aus Angst gesenkt. Er macht sich bereit loszulaufen. Genau wie die anderen. Und wie auch du.
Großer Fehler.
Die Erschaffung des PogChamp-Hundechamps
Bevor Naafiri in all ihrer Bösartigkeit Gestalt annahm, war sie das, was viele Champions zu Beginn sind: ein Designziel. Im Falle unserer Düsteren in Hundegestalt hatte das Champions-Team eine sehr spezifische Gameplay-Lücke identifiziert, die es zu schließen galt.
„Vor einiger Zeit hat unser leitender Champion-Designer, Augustus Browning, eine Analyse unseres gesamten Championpools durchgeführt und alle Champs nach Rolle, Klasse und Schwierigkeit kategorisiert, um neue Möglichkeiten für die Spieler zu finden“, verrät Spieldesigner Glenn „Riot Twin Enso“ Anderson. „Er identifizierte zwei Dinge, die uns wirklich fehlten: ein Tank, der hohes spielerisches Können erfordert, wozu letzten Endes K’Sante wurde, und ein recht simpler und anfängerfreundlicher Assassine, was Naafiri jetzt ist.“
Bei näherer Untersuchung stellte das Team auch fest, dass es schon länger keinen echten neuen Monster-Champion gegeben hatte, abgesehen von Bel’Veth, die irgendwie zwischen Mensch und Rochen-Leeren-Monster liegt. In League gibt es wohl unzählige Monster, aber das Team wollte ein nichtmenschliches Wesen finden, das als solches besser erkennbar ist und bei dem die Kreaturfantasie wirklich durchscheint. Und nach ein paar Ideenfindungssitzungen waren sich alle einig, dass League ein echtes Hundewesen fehlte. Nasus und Warwick gehen in die Richtung, aber sie sind mehr Mensch als Hund.
Spieler sollten sich beim Spielen eines Assassinen stark fühlen und Gegner sollten sich unwohl fühlen und Angst vor dem Assassinen haben, der mit ihnen in der Kluft ist. Es gibt nur wenige Dinge, die einen mit so viel unmittelbarer Angst erfüllen, wie von einem nicht gerade putzigen streunenden Hund verfolgt zu werden.
„Jeder, der schon einmal eine ungute Erfahrung mit einem Hund gemacht hat, weiß, dass es die Sache wohl nur noch schlimmer macht, wenn man versucht wegzulaufen“, sagt John „JohnODyin“ O’Bryan, leitender Autor für Naafiri, mit einem Kichern. „Wenn man wegläuft, macht das den Hund nur noch aufgeregter. Es spornt ihn gewissermaßen an. Wir wollten einen Champion machen, der an diese Erfahrung angelehnt ist. Einen Hund, der will, dass Dinge vor ihm weglaufen. Wenn Naafiri sieht, wie etwas wegläuft, weckt das ihre tierischen Instinkte.“
Aber Naafiri ist nicht nur ein einzelner Hund, der hinter dir her ist. Sie hat ein Rudel – ein Rudel, das geschlossen jagt, das geschlossen denkt und das gemeinsam in der kargen Wüstenlandschaft Shurimas überlebt. Ein Rudel, das sich jetzt das Bewusstsein mit einer düsterergewordenen Götterkriegerin teilt.
„Ich erinnere mich, wie ich im Gespräch mit ein paar Leuten war, als jemand etwas sagte, das mich zum Nachdenken anregte“, fügt Riot Twin Enso hinzu. „‚Ein Hund an sich ist nicht das, vor dem man Angst hat.’ Du hast keine Angst vor nur einem Kojoten; du hast Angst vor dem Rudel. Das Angsteinflößende ist, dass immer noch einer sich von hinten an dich heranschleicht. Und wir haben uns mit dem als Ausgangspunkt Sachen überlegt.“
Also wie passiert es, dass der Geist einer einzelnen Düsteren sich verteilt über ein ganzes Rudel shurimanischer Dünenhunde wiederfindet?
Wie der Geist aller Düsteren ist auch der von Naafiri an eine Waffe gebunden. In ihrem Fall ist diese Waffe ein antiker Wurfdolch, der in einer Gruft in der Wüste eingeschlossen wurde und in Vergessenheit geriet. Und nachdem ein Grabräuber den Dolch an sich genommen hatte, dachte Naafiri, dass ihre Erlösung gekommen war – dass der unwissende Besucher den Dolch anfassen und sein Fleisch ihrer Magie aussetzen würde. Aber er wusste ganz genau, was es war, das sich da in seinem Besitz befand. Er achtet darauf, weder die Klinge noch ihr Heft zu berühren, um nicht seinen Körper an Naafiri zu verlieren.
Ironischerweise führte dieser Widerwille, die Klinge zu berühren, auch zu seinem Tod. Auf seiner Heimreise durch die Wüste wurde er von einem Rudel ausgehungerter Dünenhunde gejagt. Sie zerfetzten ihn, sein Pferd und all seine Besitztümer – und so fand der Dolch ein neues Zuhause.
Jetzt ist der Geist der Düsteren, die in dem Dolch gefangen war, in dem Rudel erwacht und ist gestärkt durch das kollektive Bewusstsein. Und die Klinge an sich findet sich in den Formen rund um Naafiris Halsband und auf den Schnauzen ihrer Rudelmitglieder.
„Wenn Leute an Hunde und Wölfe denken, dann denken sie meist an die alte Vorstellung, dass ihre Rudel ein Alphatier haben“, erklärt Elan „Qulani“ Stimmel, narrativer Lektor. „Wir wollten uns nicht auf diese Vorstellung konzentrieren. Wir wollten wirklich, dass die symbiotische Natur des Rudels im Mittelpunkt steht.“
In dem Punkt unterscheidet sich Naafiri von den anderen Düsteren in Runeterra. Zu Beginn verabscheute sie den Gedanken, dass ihr Geist in ein paar Hunden steckte. Aber sie lernte schnell, dass ihre Beziehung untereinander der Grund dafür ist, dass sie selbst in einem derart rauen Klima überleben und gedeihen können. Sie wusste, dass es etwas gab, das die Düsteren von ihrem neuen Rudel lernen konnten.
„Es ist fast so wie böse Erleuchtung oder das Loslassen des eigenen Selbst. Aber Naafiris Antrieb dafür ist bösartiger Natur“, sagt JohnODyin lachend. „Sie will, dass die Düsteren wieder zu den Herrschern über Runeterra werden. Ihr Ego für das Böse hintenanzustellen ist ein Mittel zum Zweck.“
Ein Bewusstsein in mehreren Körpern
Während sich die Fußabdrücke (ähm, Pfotenabdrücke?) von Naafiri im Spiel vervielfachten, mussten Riot Twin Enso und Spieldesignmanager Stephen „Riot Raptorr“ Auker sicherstellen, dass sie der Vorstellung als simpler, anfängerfreundlicher Assassine gerecht wurde. Das Fähigkeitenset von Naafiri musste stark, aber leicht zugänglich sein. Und sie sollte beim Erzielen von Kills stark auf die Hilfe ihres Rudels angewiesen sein. Die anderen Hunde brauchten also eine intelligente neue KI im Hintergrund.
„Dafür zu sorgen, dass die anderen Hunde sich so verhalten, wie man es von einem Hunderudel erwarten würde, war besonders wichtig“, sagt Riot Raptorr. „Wir wollten nicht, dass die sich so hirnlos wie die Ghule von Yorick oder die Kreaturen, die Bel’Veth beschwört, anfühlen. Wir wollten, dass sie sich wie Rudelmitglieder, die einem helfen und die das ganze Spiel über eine wichtige Rolle spielen, anfühlen.“
Naafiri ist als einfach zu spielender Champion ausgelegt, aber manchmal ist es total schwer, etwas einfach aussehen zu lassen. Riot Raptorr hat also ein anfängliches Design-Dokument für das Gameplay von Naafiri zusammengeschrieben und sich damit an die Softwareentwickler gewandt. Bei Naafiri bedarf es technischer Lösungen, um eine Reihe spezieller Herausforderungen zu bewältigen – und das alles musste im Rahmen des bereits bestehenden Spielcodes und der Mindestanforderungen des Spiels, die League für eine unglaublich vielfältige Spielerschaft zugänglich machen, passieren.
„Nach einem Blick auf das Dokument von Stephen suchten wir nach ähnlichen Features in anderen Spielen und lasen uns Publikationen darüber durch, wie Herdenverhalten in anderen Genres gemacht wird“, erklärt Softwareentwickler Matteo „Riot Chibattabun“ Mannino. „Uns war klar, dass die Rudelmitglieder richtig folgen, schnell auf Angriffsbefehle regieren, den richtigen Abstand einhalten, das richtige Ziel angreifen mussten und dem Spieler natürlich nicht in die Quere kommen durften.“
Im Wesentlichen haben er und das Entwicklerteam also eine komplette neue Technologie für Naafiri und ihr Rudel entwickelt, die robust, aber gleichzeitig auch formbar genug ist, um eventuelle Änderungen am Gameplay zuzulassen.
„Die größte Schwierigkeit war es, in League das Spielgefühl aus einem Echtzeit-Strategiespiel, in dem du über einen ganzen Schwarm von Einheiten verfügst, zu erzielen und gleichzeitig die Steuerung des Champions einfach zu halten,“ fügt Riot Chibattabun hinzu. „Mit dieser neuen Technologie haben wir etwas, das eine Mischung aus Formationen wie aus Age of Empires, die einen Naafiris Position im Rudel leicht steuern lassen, und den schnellen Bewegungsmechaniken aus Starcraft II ist.“
Die Kunst des Tieres
Während die Idee eines Hunderudels für die Designer und Entwickler eine spannende Herausforderung darstellte, freute Leiter der Kunstabteilung Gem „Lonewingy“ Lim sich über die Gelegenheit, nach all den schönen Menschen (Qiyana, Zeri, Sett, Kayles Überarbeitung, Evelynns Überarbeitung, um nur ein paar zu nennen) wieder an einem Monster-Champion arbeiten zu können.
„Wir haben einen Hund gewählt, weil Hunde eine ganz klare Kreaturfantasie sind“, sagt Lonewingy. „Viele Menschen haben Hunde, sowohl Gamer als auch Nichtgamer. Aber wir mussten uns unterschiedliche Hunde-Archetypen und verschiedene Rassen ansehen.“
Während dieses Prozesses fanden Lonewingy und das Team in der Popkultur und in Videospielen viele unterschiedliche Hundecharaktere, die sie zur Inspiration heranziehen konnten, von den Hundekriegern aus Ōkami bis hin zum schwertschwingenden Großen Grauen Wolf Sif.
Am Anfang war sich das Team nicht sicher, welche Region Runeterras sich als Heimat für dieses Hundewesen eignen würde. Sie spielten mit der Idee eines klingenführenden Drachenhundes aus Noxus, der eines an Zerberus angelehnten Wächterwelpen aus Freljord und der eines Retrievers aus Targon mit einer Sonnen- und einer Mondform.
Aber schließlich verliebten sich alle in eine von Lonewingys Ideen: einen dämonenartigen Hund, der von seinen nicht ganz so niedlichen Welpen begleitet wird.
„Damit hatten wir unser Grundkonzept gefunden und das Team bat mich, dabei mehr in Richtung Hundewesen und weniger in Richtung Dämon zu gehen. Also fing ich an, an Ideen für ein Düsteren-Rudel aus Shurima zu arbeiten, da die Düsteren ursprünglich zu den Aufgestiegenen gehörten“, verrät Lonewingy.
Lonewingy arbeitete sich durch verschiedene Ausarbeitungen des Konzepts und nach und nach nahmen Naafiri und ihr Rudel die Gestalt einer Düsteren im Körper eines echten Hundes an … mit nur ein paar spitzen Anspielungen auf ihre Dolch-Form. Sie entwarf sogar ein Design für einen shurimanischen Dünenhund, der nicht Wirt eines Düsteren ist.
„Ich habe mir afrikanische Wildhunde als Vorlage genommen“, erklärt Lonewingy. „Sie verkörpern gewissermaßen meine Vorstellung von einem Dünenhund. Und ich fand es auch interessant, wie sie ihre Ohren verwenden, um miteinander zu kommunizieren und bei ihrem Rudel zu bleiben.“
Aber Lonewingy wusste, dass alle Düsteren eine Vergangenheit haben. Naafiri hatte ein früheres Leben, eine frühere Gestalt. Also gab Lonewingy Naafiri einen kleinen Ohrring als Anspielung auf ihr früheres Leben. Der Ohrring war zuvor ein Schmuckstück, das vom ehemaligen Besitzer des Dolches zur Zierde an dessen Griff befestigt worden war, und ist das einzige verbleibende Andenken an Naafiris früheren Körper.
Das Bellen der Hunde
Unsere Düstere in Hundeform hatte nun also eine Hintergrundgeschichte, einen Gameplay-Ansatz, eine neue Technologie für ihr Rudel und einen krassen Look, aber eine Frage war weiterhin offen: Wie hört sich ein Rudel dämonischer Hunde an?
„Oh Mann. Naafiri hat uns ziemlich viel Kopfzerbrechen bereitet“, sagt Produzent für die Sprachausgabe Nick „ProfRincewind“ Lanza. „Da es sich um mehrere Hunde handelte, war von Anfang an klar, dass wir mehrere Stimmen brauchten. Aus Sicht der Sprachausgabe ist das etwas ziemlich Einzigartiges. Wir wussten, dass wir kräftige, tierisch klingende Stimmen haben wollten, ohne zu sehr von digitalen Effekten oder sonstiger Bearbeitung Gebrauch zu machen. Und das bedeutete, dass wir den Effekt auf die herkömmliche Art und Weise erzeugen mussten: indem wir mehrere Studio-Aufzeichnungen derselben Skriptteile mit unterschiedlicher Stimmlage und mit unterschiedlicher Darstellungsweise verwendeten. Vielen Dank an unseren Sprachausgaben-Designer Austin „Riot Puma Pet“ Mullen, der diese Idee überhaupt erst hatte.“
Wenn er nach einer Klangästhetik für die Stimme eines Champions sucht, sieht sich Riot Puma Pet zwei Hauptelemente an: das physische und das emotionale Designelement. Er und das Team für die Sprachausgabe mussten nicht nur die vielen Hundestimmen von Naafiri (physisch), sondern auch die Essenz des Geistes der Düsteren in den Hunden (emotional), durch den sie ein geteiltes Bewusstsein haben, einfangen. Naafiri ist komplex.
„Ich glaube wirklich, dass Naafiri ohne ihre Synchronsprecherin, Morla Gorrondona, nicht das wäre, was sie ist“, sagt Riot Puma Pet. „Wir haben gemeinsam viel Zeit damit verbracht, verschiedene Stimmen und Darstellungsideen auszuprobieren. Die Sessions mit ihr waren eine wundervolle Zeit mit Monstergeräuschen und viel Experimentieren.
Und wenn du ein gutes Gehör hast, dann hörst du in Naafiris Sprachausgabe mehr als nur Monstergeräusche. Jeder Teil ihrer Sprachausgabe bekam eine mehr menschliche Komponente, die Naafiris Qualität als Rudelanführerin unterstreicht.
Die Aufnahme dieser eher menschlich klingenden Stimme wurde dann bearbeitet und mit einer zweiten Aufnahme, in der Morla so richtig das Monster zum Vorschein brachte, verbunden.
Aus der Verbindung dieser zwei Arten von Aufnahmen entsteht die Stimme der urweltlichen, übernatürlichen Halbhund-Düsteren.