ENTSTEHUNG: Sylas
Sylas von Gelichtergraben, der allseits beliebte
Ult-Dieb und Plänkler, ist launisch und aufsässig – das
Produkt eines fast ausschließlich eingesperrt verbrachten Lebens. Er
ist ein Revolutionär, zornig, stark und ziemlich frech. Aber das war
nicht immer so.
Als Konzeptkünstler
Snuny „Kindlejack“ Pinatdat
Teil des Champion-Teams wurde, arbeitete er zunächst an einem Magier
der oberen Lane – einem Gameplay-Archetyp, der nicht viele
Champions in der Aufstellung hatte und neue Spieler auf die
verfluchteste Lane bringen sollte.
„Das ursprüngliche
Konzept war ein junger, weiblicher Champion, der süß, quirlig und
unterhaltsam war", erklärt er.
„Und dann wurde
daraus Sylas.“
Dein Zauber gehört mir
Während Krinnlejank
Konzepte für den süßen, quirligen, unterhaltsamen Champion
entwickelte, begann
Senior
Game Designer Blake „Squad5“ Smith
mit der Arbeit am Fähigkeitenset. Er experimentierte mit einer
Fähigkeit, die er schon seit Jahren umsetzen wollte:
Zauberdiebstahl.
Es gab dabei nur ein
winziges,
gigantisches Problem: League hatte keinen Code für Fähigkeiten, die
Zauber stehlen.
„Ich dachte nicht,
dass es technisch möglich war, denn ich hatte einige Techniker
gefragt, und alle sagten ‚Nein, das geht nicht, du spinnst‘“,
erinnert sich Squad5. Aber nachdem er einigen Technikern ein
vorsichtiges Vielleicht entlockt hatte, setzte er die Arbeit an
seinem Zauberdiebstahl-Konzept fort.
„Ich hatte eine
extrem grobe Version der Fähigkeit, die Sylas’ R werden würde,
und musste sie extrem umständlich konstruieren. Aber praktisch
sofort nach dem ersten internen Spieltest wusste ich, dass es eine
fantastische Fähigkeit war.“
Meme zur Erklärung von Sylas’ Ult
Unabhängig davon, wie viel Spaß diese ultimative
Fähigkeit beim Spielen machte, ihre Entwicklung wurde zu einem
regelrechten Albtraum. Damit der Zauberdiebstahl in League
funktionierte, musste das Technikteam jede Fähigkeit im Spiel im
großen Stil überarbeiten.
Um die Herausforderung
zu meistern, bedurfte es jeder Menge Technikerhirnschmalz, denn
einfach gesagt waren Zauber in League bis dahin schlichtweg nicht
darauf ausgelegt, dass ein anderer Champion auf sie zugreifen konnte.
Zauber waren im Grunde jedem Champion fest zugeordnet.
Vor Sylas war das
Konzept einer Fähigkeit, bei der ein Zauber vom Start bis zum Ziel
läuft, nicht wirklich existent. Die meisten Zauber existierten im
Rahmen des Skripts eines individuellen Champions, also verstand die
Spielengine einzelne Fähigkeiten für sich betrachtet gar nicht.
Auch passive Zauberfähigkeiten waren kein in sich geschlossenes
Konzept. Damit Fähigkeiten und ihre zugehörigen passiven
Bestandteile also zu Sylas transferiert werden konnten, musste das
Technikteam diese Systeme ausbauen und für jeden Champion im Spiel
implementieren.
„Die Spielengine
musste im Prinzip jeden Zauber in eine Kapsel stecken und sagen:
‚Hier drin ist alles, was du brauchst, und sonst nichts, und ich
weiß, wie lange du es brauchen wirst‘“, erklärt Game Engineer
Chris „Gantrix“ Laubach.
Das war ein gewaltiges
Unterfangen. Letztlich mussten alle Zauber im Spiel neu angepasst
werden, was allein schon ein immenser Aufwand war, aber dazu kam noch
die Komplexität der Gestaltwandler wie Nidalee und Jayce sowie der
Umstand, dass einige Zauber Angriffsschaden skalieren, während Sylas
Fähigkeitsstärke einsetzt.
Sylas’ Herausforderung an die Techniker hat letztlich zu besseren Standards für die Engine von League geführt und den Weg für Viego und das Ultimative Zauberbuch geebnet
„Immer wenn ich die Techniker sehe, die mir bei
Sylas Ult geholfen haben, entschuldige ich mich bis heute und danke
ihnen“, lacht Squad5.
Aber die Arbeit des
Technikerteams hat sich mehr als bezahlt gemacht. Sylas’ ultimative
Fähigkeit ist nicht nur zu seinem charakteristischen Zauber geworden
und hat die Grenzen der Fähigkeiten in League vorangetrieben, sie
hat dem Team auch bei Aussehen und Persönlichkeit des Champions
geholfen.
Demacias dunkles Geheimnis
Zu diesem Zeitpunkt war das Ziel des Teams nach wie
vor der tapfere Magier der oberen Lane, und der ursprüngliche Plan
lautete, den Zauberdiebstahl auch zu benutzen. Doch schnell wurde
klar, dass das Stehlen von Zaubern nicht sehr heldenhaft ist –
weder für Sylas noch für seine Gegner.
„Als wir mit den Spieltests begannen, war das erste
Feedback zu diesem Zauber, dass er ‚echt voll fies‘ ist“,
berichtet Squad5. „Er hätte etwas Hinterhältiges an sich, wie ‚Es
fühlt sich gut an, dich mit deinem Ding zu erledigen.‘“
Also kehrte das Team
ans Zeichenbrett zurück, mit dem Ziel, einen dunkleren Charakter zu
erschaffen.
Das Team einigte sich auf ein Konzept mit einem Häftling. Jahre zuvor hatte Anthony „Ant in Oz“ Reynolds Lenne die Idee präsentiert, dass Demacia Magier in geheime Gefängnisse sperrt. Das Konzept wurde für Sylas wiederbelebt.
Sie spielten mit Ideen wie einer trickreichen
Zauberin oder einem übereifrigen Magiesuchenden herum. Der Vorschlag
eines angeberischen Houdini-Charakters, der jeden Zauber meistern und
aus jedem Gefängnis ausbrechen kann, war nicht schlecht, fühlte
sich aber etwas zu
kitschig an.
Zu dem Zeitpunkt
entwickelten die Autoren John „JohnODyin“
O’Bryan und Rayla „Jellbug“ Heide einen Häftling ohne den
Aspekt des Ausbruchskünstlers – ein mächtiger Magier, der
fünfzehn Jahre lang in Demacia eingesperrt war.
„Es begann mit der
Beschäftigung mit Petrizit und Demacia als Land“, sagt Kanklejazz.
„Was, wenn Sylas etwas wäre, das Demacia begraben wollte?“
Petrizit ist ein weißes, steinähnliches Material aus uralten, versteinerten Bäumen. Demacia setzt es zum Schutz vor Magie in seiner Architektur ein. Die meisten Demacianer glauben, es würde Magie lediglich unterdrücken, aber seine Haupteigenschaft ist, Magie zu absorbieren und zu speichern.
Demacia ist bekannt als Stadt des Lichts und der
Ordnung, als Heimat beliebter Champions wie Garen, Jarvan und Lux.
Aber die Bemühungen, jede Magie aus seinem Gebiet zu vertreiben –
so gut die Absicht gewesen sein mag –, hat eine Revolution
angefacht, die unter all dem Petrizit brodelt. Eine Revolution, die
nur einen intelligenten, charismatischen Anführer brauchte, um zu
wachsen.
Auftritt Sylas.
Sylas stammt aus einer unbedeutenderen Region von Demacia und verfügt seit Geburt über die magische Fähigkeit, verborgene Zauberei zu sehen und die magischen Kräfte von anderen umzuleiten. In jungen Jahren half er sogar den Magiesuchenden magisch Begabte in ihren Verstecken aufzuspüren.
Doch nach einem Vorfall, der zwei Magiesuchende und
ein junges Mädchen das Leben kostete, wurde Sylas eingesperrt und
sollte in einem demacianischen Gefängnis verrotten, in
Petrizit-Ketten gelegt.
„Die Idee und Bildsprache von Ketten und Fesseln
als Hauptwaffe sagte mir sofort zu. Ich fand es wunderbar, dass die
ultimative Fähigkeit darin bestand, die Macht des Gegners an sich zu
reißen und gegen ihn zu verwenden“, erklärt Kinderjab. „Und die
Ketten sind eine Art Metapher dafür – du benutzt die Symbole
deiner Unterdrückung, um deine Freiheit zu erlangen.“
Ihr habt euch
geschnitten, NSC-Wachen. Die Petrizit-Fesseln haben Sylas nur stärker
gemacht, sodass er seine Magie nun speichern und kontrollieren kann.
„Ohne seine Fesseln spritzt seine Magie unkontrollierbar umher wie Wasser aus einem kaputten Hydranten“, JohnODyin. „Die Fesseln dienen ihm als Batterie, wie ein Kontrollventil, und er kann sie lagern, beliebig einsetzen und konzentrieren.“
Als der Konzeptentwurf Formen annahm, dachte Kinojam sorgfältig über die Details von Sylas’ Leben nach. Was isst er im Gefängnis? Warum ist seine Hose so eng? Wie kann er so muskulös sein? (Die Demacianer versorgen ihn gut, aber er ist eine Drama-Queen; es ist dieselbe Hose, die er auch in seiner Jugend trug, als er eingesperrt wurde; Gewichtheben mit absurd großen Ketten.)
Sylas hat dasselbe Farbschema wie Garen, aber weniger intensiv, um zu zeigen, dass seine Liebe zu Demacia verblasst ist. Und er hat sogar ein Brandzeichen – ein Symbol der demacianischen Magiesuchenden, eine Narbe, die er sein Leben lang tragen wird.
Sylas’ muskulöser Häftlingskörper wurde in sein Gameplay eingebaut – und umgekehrt. Bei den Spieltests bemerkte Squad5, dass viele gestohlene Ults am besten funktionierten, wenn Sylas sich voll in den Kampf stürzte. Aus ihm einen beweglichen Nahkampf-Plänkler zu machen, anstatt eines traditionellen Magiers, führte dazu, dass er Zauber wie Amumus Ult einsetzen konnte, ohne umgehend ausgelöscht zu werden.
Sylas trug während der Entwicklung vorübergehend eine Brille. Sie sollte ihm helfen, die vielen Bücher und Manuskripte zu lesen, die Lux ihm brachte. Die Idee, Sylas eine Echse als Begleiter zu geben, war ebenfalls kurzzeitig im Gespräch.
Sylas’ Geschichte überschneidet sich mit der von Lux wenn sie sich in die Verliese von Demacia begibt. Sie bringt Sylas Bücher und Manuskripte, von denen eines die Kräfte von Petrizit enthüllt und letztlich der Schlüssel für Sylas’ Flucht wird.
Und seine Flucht führt zu einer Rebellion in Demacia.
Die Zukunft von Demacia und Sylas
Für das Autorenteam passte die Geschichte einer
Revolution ziemlich gut in eine Gesellschaft wie Demacia. Die
Verfolgung der Magier durch das Königreich erzeugte ein Pulverfass,
das nur auf einen Funken gewartet hat.
„Als wir wussten, dass der Charakter sich an einem Ort befindet, wo Magie geächtet ist, hat er sich praktisch von selbst geschrieben“, sagt JohnODyin. „Was für ein Typ würde das sein? Wie lautet die logische Schlussfolgerung einer Person, die vom System unterdrückt wird und darin langsam vor sich hin schwelt? Was wird aus ihm? Und was würde er für andere darstellen, denen es genauso geht? Die Geschichte ist voller Beispiele, da musst du nicht lange suchen. Das Witzige an Sylas ist für mich, dass wir eine Frage über Demacia stellen, auf die es nicht wirklich eine gute Antwort gibt.“
Sylas’ Flucht enttarnt die idealisierte, statische Version von Demacia radikal. Der König von Demacia, der Vater von Jarvan IV., wird im Zuge von Sylas’ Ausbruch getötet, und das Königreich stürzt ins Chaos. Sylas beginnt, Anhänger für seine Revolution zu rekrutieren – zahlreiche verbannte Magier. Anschließend reist er zum Freljord in der Hoffnung, mehr Verbündete zu sammeln und mächtige, uralte Magie zu finden. Und seine Geschichte geht weiter.
Obwohl er versucht, die demacianische Monarchie zu
stürzen, ist sein Status als Schurke bestenfalls zweischneidig.
Seine Existenz verleiht Demacia eine dringend benötigte Komplexität.
„Bei allem Respekt
vor den Hauptchampions Garen oder Lux, Demacia hat einen Konflikt
gebraucht“, meint JohnODyin.
„Diese simple Idee vom Rittertum reicht einfach nicht aus. Sie kann
nicht in einem Vakuum existieren. Es muss etwas geben, das Stoff für
interne Kämpfe bietet.“
„Und zudem setzt
seine Story die gesamte Geschichte von Runeterra fort“, so Squad 5.
„Es fühlt sich fast
so an, als hätten wir uns mit der Veröffentlichung von Sylas auch
als Unternehmen, als EP etwas wohler gefühlt und darum Dinge nach
vorne gebracht und verändert.“
Wohin wird Sylas’
Geschichte uns also als Nächstes führen? Ist er wirklich – wie er
so selbstsicher behauptet – das wahre
Demacia? Wir müssen es wohl einfach abwarten.